Wir sind keine Bekenntnisschule…
aber die Montessori-Schule Halle nennt sich trotzdem „evangelische Schule mit Integration“. Was ist denn eigentlich an der Schule evangelisch?
Unser Gründungsmitglied Superintendent i.R. Günter Buchenau hat das einmal so formuliert:
„Da stehen mir vier Dinge vor Augen:
1. Für mich ist evangelisch an dieser Schule, also dem Evangelium gemäß, dass Kinder schöpferisch im Blick auf sich selbst und auf ihre Umwelt tätig werden. Dass Kinder jeden Tag eigenverantwortlich auswählen dürfen, welches Stück der Welt sie sich heute erschließen wollen und mit wem.
Das entspricht für mich vor allem dem Evangelium, der „guten Nachricht“, dass der Schöpfergott sich ihnen zuwendet. Dass Kinder neugierig werden auf neues Wissen und Können und darum mit Freude lernen, kleine und große Zusammenhänge zu verstehen, die Geheimnisse der Zahlen und Buchstaben, der Elemente, Tiere und Menschen. Das ist für mich in dem an den Anfang der Bibel gestellten Schöpfungslob ganz deutlich vorgezeichnet. In dieser wunderbar bildhaften Erzählung erschließt das soeben durch den Atem seines Schöpfers Mensch gewordene Wesen sich die durch den gleichen Schöpfer „vorbereitete Umgebung“, indem es sie wahrnimmt und benennt. Und niemand, gerade auch der Schöpfergott nicht, schreibt ihm etwas vor.
2. Für mich ist evangelisch an dieser Schule, dass Kinder lernen, Unterschiede untereinander wahrzunehmen und daraus etwas Schönes, Interessantes, Fröhliches zu machen.
Dass Kinder wahrnehmen, wie unterschiedlich sie in ihren Möglichkeiten und Behinderungen sind, wie unterschiedlich in ihren Begabungen und blinden Flecken, wie unterschiedlich in ihrem jeweiligen Lerntempo und Förderbedarf. Und dass sie erleben und lernen, wie schön es sein kann, aus dem Besten, was jedes erreicht, das Beste der Lerngemeinschaft entstehen zu lassen. Das ist für mich evangelisch, ein Stück vom erlebten Eins-Sein aus dem Geist von Jesus Christus. Niemand muss vergleichend rauf und runter rechnen, wer „besser“ oder „der beste“ ist, niemand sich resigniert langweilen oder frustriert Überforderungen hinnehmen. Niemand muss ständig darauf sinnen, wie er „auf’s Treppchen“ kommt, solange uns das Wunderbare jener Integration leitet, das Jesus nennt: Einer ist euer Meister, ihr seid alle Geschwister.
3. Für mich ist evangelisch an dieser Schule, dass Kinder von Lehrerinnen und Erzieherinnen begleitet werden, die ihnen vertrauen, ihre sich entfaltende Persönlichkeit ernst nehmen, ihr Lerntempo und ihre polarisierte Aufmerksamkeit respektieren, ihnen zutrauen, Baumeister ihrer selbst zu sein und sich auch von jenen Blockaden und kleinen und großen Traumata befreien zu können, die ihre Seele zu verschütten drohen.
Für mich entspringt das aus dem Evangelium von Jesus und seinen Jüngern, in deren Mitte er ein Kind stellt. Diese Geschichte in Matthäus 18 ist ja eine Geschichte für Erwachsene, die vom Alles-können-müssen befreien will.
4. Und schließlich: Wo Kinder an unserer Schule ansatzweise. lernen, eigene Verletzungen auszusprechen und Verletzungen anderer wahrzunehmen und – etwa im Stuhlkreis – partnerschaftliche Kommunikation konkret verabreden, anstatt Schuldzuweisungen zu verteilen oder auf das Machtwort eines Erwachsenen setzen, dort sind wir eine evangelische Schule.
Denn dort setzen Kinder und Erwachsene das Evangelium von der Versöhnung um. Dort erleben sie als rettenden Prozess, dass sie von Verschüttungen frei werden, die Ihre Kreativität und Leben behindern und in Schuld verstricken können.“